Mit einem feierlichen Auftakt im Jugendtreff Halle-Neustadt fiel gestern der Startschuss für ein außergewöhnliches Projekt: Unter dem Titel „Schülergremium Halle – Klartext“ entsteht in der Saalestadt ein Schülergericht, das Jugendlichen die Möglichkeit gibt, aktiv an der Aufarbeitung kleiner Straftaten mitzuwirken. „Peer-to-Peer“ heißt das Modell und statt zu verurteilen, geht es darum, zu verstehen – die jungen Menschen zeigen ihren Gleichaltrigen Wege, wie man aus Fehlern lernen kann.
Die Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH übernimmt die Organisation und Begleitung des Projekts. Justizministerin Franziska Weidinger und Marc Melzer von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt überreichten dazu einen Förderbescheid in Höhe von rund 21.000 Euro. Das Projekt soll nicht nur präventiv wirken, sondern auch neue Perspektiven für Jugendliche eröffnen.





Das Konzept des Schülergerichts basiert auf Mitverantwortung und Dialog. Jugendliche, die sich als Schülerrichter engagieren, erhalten Schulungen in Gesprächsführung, Perspektivwechsel und rechtlichen Grundlagen. Anschließend führen sie Gespräche mit Gleichaltrigen, die kleinere Delikte wie Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder Diebstähle begangen haben. Ziel ist es, gemeinsam eine sinnvolle Wiedergutmachung zu finden – etwa durch ein Entschuldigungsgespräch, gemeinnützige Arbeit oder eine soziale Aufgabe. Wird die vereinbarte Maßnahme erfüllt, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen.
„Hier lernen Jugendliche, Verantwortung zu übernehmen und Konflikte auf faire, rechtsstaatliche Weise zu lösen“, betonte Ministerin Weidinger bei der Übergabe.
Das Modell ist nicht neu: im Harz läuft ein vergleichbares Schülergericht bereits seit 2008 mit großem Erfolg. Dort wurden bereits hunderte Fälle bearbeitet, die Rückfallquote liegt unter zehn Prozent. Viele ehemalige Schüler haben später Berufe im sozialen Bereich oder in der Justiz ergriffen. Nun soll auch Halle von diesen positiven Erfahrungen profitieren. „Wir wissen, dass das funktioniert – und wir wollen, dass Jugendliche in Halle die gleichen Chancen bekommen“, so Weidinger.




Eingebettet ist das Projekt in die langjährige Präventionsarbeit der Halleschen Jugendwerkstatt, die eng mit Schulen, Polizei und Familien in Halle-Neustadt zusammenarbeitet. Bereichsleiter Hans Goldenbaum stellte den Bereich zu delinquenz und resilienz und sieht im Schülergericht eine wertvolle Ergänzung zu den bestehenden Angeboten der Jugendhilfe: „Wir erleben täglich, dass ehrliche Gespräche und übernommene Verantwortung mehr bewirken als Strafen. Das Schülergremium schafft eine Verbindung zwischen Schule, Justiz und Jugendhilfe – und das auf Augenhöhe.“
Die Jugendwerkstatt betreibt mehrere Jugendclubs in der Stadt und engagiert sich in Projekten gegen Gewalt, Schulverweigerung und Radikalisierung. Mit dem Schülergericht setzt sie ein weiteres starkes Zeichen für Prävention, Teilhabe und Vertrauen in die Fähigkeiten junger Menschen.
